Nachhaltige Gewerbegebiete: dezentral und digitalisiert

01. Okt 2020

Nachhaltige Gewerbegebiete: dezentral und digitalisiert

Bei den aktuellen Online-Seminaren der Reihe „Werkstatt Wissenschaft Wirtschaft“ ging es um Bioökonomie und Energiekonzepte

„Konzepte und Lösungen für die Decarbonisierung des gewerblichen Sektors spielen eine große Rolle für die Energiewende“, sagte Sabine Uplegger vom schleswig-holsteinischen Wirtschaftsministerium in ihrem Grußwort zum aktuellen Online-Seminar der Reihe „Werkstatt Wissenschaft Wirtschaft“. Ihr Kollege Dr. Stefan Tobias ergänzte: „Nur mit Sektorkopplung und anderen smarten Lösungen kann die Energiewende ein Erfolg werden.“ Die „WWW“-Veranstaltungsreihe wird vom Hochschulcluster EEK.SH, dem Erneuerbare-Energien-Cluster EE.SH, der Energieagentur der Investitionsbank Schleswig-Holstein und regionalen Wirtschaftsförderern organisiert.

Hier finden Sie den Mitschnitt des ersten Online-Seminars am 02.09.2020:

www.youtube.com/watch?v=aQlRAQI_wbo

Hier finden Sie den Mitschnitt des zweiten Online-Seminars am 22.09.2020:

www.youtube.com/watch?v=RiFL5HxciEw

Wie dringend nachhaltige Lösungen für die Wirtschaft gebraucht werden, machte der erste Referent Dr. Peter Heßbrüggen deutlich: „Wir verbrauchen für Wirtschaft und Ernährung in Deutschland 1,5 mal mehr Land, als unsere Landesfläche es hergibt.“ Heßbrüggen leitet an der Christian-Albrechts-Universität Kiel das vom Bundesforschungsministerium geförderte Verbundprojekt „Bioökonomie an marinen Standorten“ (BamS). Ziel der Bioökonomie ist die Transformation von einer erdölbasierten Wirtschaft zu einer Kreislaufwirtschaft. Heßbrüggen beschrieb die Zukunftsvision von hybriden Gewerbe- und Wohngebieten, in denen Wohnen, Arbeiten und Nahrungsmittelproduktion auf wenig Fläche stattfinden könnten. Bausteine seien unter anderem multifunktionelle Algenreaktoren zur Abwasser-Aufbereitung oder die Kombination von Pflanzen- und Fischzucht. Als Beispiel nannte er die „Alte Molkerei“ auf Rügen, ein BamS-Projekt mit einer Aquakultur-Anlage und einer Brauerei, das auch Touristen offensteht. Wichtig sei die digitale Modellierung und Steuerung der Energieflüsse innerhalb eines bioökonomischen Gewerbegebiets, um Abwärme optimal nutzen zu können. Heßbrüggen nannte als mögliche Finanzierungshilfe das EU-Förderprogramm HORIZON2020, das einen Schwerpunkt auf Bioökonomie und Sektorkopplung legt.

Ein erfolgreiches Projekt zur Abwärmenutzung von Rechenzentren stellte Wilfried Ritter von der Firma WindCloud vor. Auf dem GreenTEC-Campus in Enge-Sande betreibt seine Firma mit der Abwärme der Server eine Algenzucht auf dem Dach desselben Gebäudes. Der Strom stammt aus den in Nordfriesland reichlich vorhandenen Windparks. „Wir stehen in einer Energie-Überschuss-Region. Deshalb bringen wir die Rechenzentren zur Energie und nicht umgekehrt“, sagte Ritter und führte aus, dass bereits jetzt 7 % des weltweiten Energieverbrauchs in digitale Infrastrukturen fließen. Prognosen gehen davon aus, dass es im Jahr 2030 bereits 20 % sein werden. Durch die Kühlung der Server-Schränke fallen im WindCloud-Rechenzentrum 112 Watt Wärme pro Quadratmeter Fläche an. „Damit steigern wir vor allem die Profitabilität der Algenfarm im Winter.“ Die Bio-zertifizierten Algen werden zu Nahrungsergänzungsmitteln und Kosmetikprodukten verarbeitet. Ritter wünscht sich mehr Anreize für nachhaltige Geschäftsmodelle im Zusammenhang mit Rechenzentren: „Den blauen Engel für Rechenzentren gibt es zwar schon, aber er sollte mit steuerlichen Entlastungen verbunden sein, auch für meine Kunden.“

Im zweiten Online-Seminar präsentierte Prof. Dr. Gunther Gehlert von der Fachhochschule Westküste das Energiekonzept eines Wohngebiets in Heide, das im Zuge des Projekts „QUARREE100“ Schritt für Schritt decarbonisiert werden soll – bei zum Teil 100 Jahre alten Häusern eine echte Herausforderung. Sie soll gelingen mit Windstrom aus der Umgebung, Dach-PV-Anlagen (Photovoltaik), Batterie- und Wärmespeichern, Nahwärmeleitungen und einem Blockheizkraftwerk, das in Zukunft mit grünem Wasserstoff laufen soll. Die Kombination all dieser Anlagen sei auch eine automationstechnische Herausforderung, betonte Gehlert. Ein entsprechendes Energiekonzept für ein Gewerbegebiet zu entwickeln sei einfacher, weil hier in der Regel große Dachflächen für PV-Anlagen zur Verfügung stehen und es geringere Anforderungen an die Lärmbelastung gebe, was vor allem laute Wärmepumpen betrifft.

Ein Power-to-cool-Projekt für ein nachhaltiges Energiekonzept für Supermärkte stellte Dr. Pascal Knebel (ebenfalls FH Westküste) vor. 40 bis 60 % der Energie im Lebensmitteleinzelhandel werden für die Kühlung verbraucht. Zumindest im Winter könne mit der Abwärme aus der Kälte-Erzeugung der Wärmebedarf eines Supermarkts komplett gedeckt werden.

Bei allen Projekten wurde deutlich, wie wichtig die ständige Messung, Überwachung und Steuerung der Energieflüsse ist. Ronald Thorn von Schneider Electric aus Hamburg präsentierte elektronische und digitale Anwendungen, die seine Firma für die dezentrale Energie-Erzeugung und -Speicherung anbietet. Gewerblichen Nutzern empfiehlt Thorn zunächst ein „Sensor Audit“, bei dem die Energieflüsse innerhalb des Gebäudes genau gemessen werden. Anschließend könne man die Energieeinspar-Potenziale modellieren und errechnen. Schneider Electric ist unter anderem an der Ausstattung des EUREF-Campus in Berlin beteiligt, ein kombiniertes Wohn-, Hochschul- und Gewerbegebiet mit nachhaltiger Energieversorgung.

Die „Werkstatt Wissenschaft Wirtschaft“ ist eine gemeinsame Veranstaltung der Projekte Kompetenzzentrum Erneuerbare Energien und Klimaschutz Schleswig-Holstein (EEK.SH), Netzwerkagentur Erneuerbare Energien Schleswig-Holstein (EE.SH), der Investitionsbank Schleswig-Holstein (IB.SH), der Wirtschaftsförderung und Technologietransfer Schleswig-Holstein (WT.SH) sowie der Wirtschaftsförderungsgesellschaften von Kiel (KiWi), des Kreises Plön (WFA Plön) und des Kreises Rendsburg-Eckernförde.

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